Bild: Helvetas/Alexa Mekonen

Mehr als 3,3 Milliarden Menschen sind unmittelbar vom Klimawandel bedroht. Erwärmt sich die Erde weiter, werden Hitzeextreme, Dürren und tropische Stürme noch häufiger, intensiver und zerstörerischer. Die Pariser Klimaziele können nur noch eingehalten werden, wenn die gemeinsamen Anstrengungen vervielfacht werden. Nötig dafür ist eine systemische Transformation hin zu nachhaltiger, zukunftsfähiger Entwicklung – weltweit und in der Schweiz.

Im Januar 2021 verabschiedete der Bundesrat die wegweisende «langfristige Klimastrategie der Schweiz». Sie umfasst Bereiche wie Gebäude, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Finanzmarkt. Das Ziel ist, die Umwelt zu schonen und Treibhausgase bis 2050 auf netto Null zu senken, ohne dabei Wohlstand und sozialen Zusammenhalt zu gefährden. Unbestritten: Die Klimastrategie weist den Weg in die richtige Richtung. Die Ambitionen reichen jedoch nicht. Erstens: Der Bundesrat hält am «Paris»-kompatiblen netto Null-Ziel fest, nimmt aber als Rechnungsgrundlage nur die Emissionen, die innerhalb der Landesgrenzen anfallen. Unberücksichtigt bleiben klimatreibende Finanzierungs- und Investitionsentscheide des Finanzmarktes ebenso wie Flüge und die Produktion importierter Nahrungsmittel und Konsumgüter. Zur Erinnerung: Zwei Drittel der Schweizer Emissionen fallen im Ausland an.

Zweitens: Weil der Bundesrat keine Inlands- und Auslandsanteile für Emissionsverminderungen festlegt, bleibt offen, wie ambitioniert die Schweiz den Wandel im Inland vorantreibt. Zwar ist gut für das globale Klima, wenn schweizerische Treibstoffimporteure Emissionsminderungen im Ausland mitfinanzieren. Um allerdings zu verhindern, dass die Schweiz ihre Klimaverantwortung in ärmere Länder abschiebt, sollten erzielte Emissionsminderungen in Entwicklungsländern nicht an das eigene Reduktionsziel angerechnet werden. Die Möglichkeit zur Auslandskompensation droht gar, hierzulande den sozial-ökologischen Wandel zu verzögern. Dabei würden mehr Investitionen in erneuerbare Energien die Schweiz unabhängiger von fossilen Energieimporten machen und erst noch «grüne Arbeitsplätze» schaffen.

Drittens: Anstatt zusätzliche Gelder bereitzustellen, will der Bundesrat immer mehr Klimamassnahmen im Süden aus dem Entwicklungshilfe-Budget finanzieren. Dies, obwohl sich die Schweiz verpflichtet hat, neue Finanzen für Klimaschutz und -anpassung in ärmeren Ländern aufzubringen. Die Eindämmung der Klimakrise auf der einen und die Bekämpfung von Armut und Ungleichheit auf der anderen Seite sind zwei internationale Verpflichtungen, die sich zwar ergänzen, aber separat und gleichzeitig erfüllt werden müssen.

Fazit: Die Schweiz muss aufgrund ihres hohen Klimafussabdrucks pro Kopf und des mangelhaften Fortschritts bei der Energiewende deutlich mehr für «Klimagerechtigkeit» tun: Sie muss ihre Bemühungen in Richtung Klimaneutralität im Inland vorantreiben und darauf verzichten, den zu hohen Emissionsausstoss und mangelnde Klimaschutzbemühungen über den verhältnismässig günstigen Zukauf von Reduktionszertifikaten im Ausland wettmachen zu wollen. Gleichzeitig muss die Schweiz dringend notwendige Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen in ärmeren Ländern zusätzlich zur Entwicklungshilfe umsetzen. Anstatt massiv in militärische Kampfkraft zu investieren, sollte die Schweiz vor allen Dingen starke Impulse in Richtung Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Energien und nachhaltige Ernährungssysteme ebenso wie in Internationale Zusammenarbeit und weltweiten Klimaschutz auslösen.

Autor:

Patrik Berlinger
ist Verantwortlicher Politische Kommunikation bei Helvetas