Es ist ein grosses Wort, aber ich finde es angemessen: Unsere Kinder und Jugendlichen schreiben mit ihren Klimastreiks, ihren Demonstrationen und ihren klaren Forderungen heute ein neues Kapitel politischer Geschichte in der Schweiz. Sie haben mir die Augen noch mehr dafür geöffnet, dass Klimakrise und Biodiversitätsverlust zwei Facetten desselben Problems sind. Nicht in der Theorie, sondern ganz praktisch in meinem Berufsalltag. So ist zum Beispiel der Moorschutz für Pro Natura seit jeher ein wichtiges Tätigkeitsfeld. Ein Moor, das austrocknet, verliert seine moortypische Artenvielfalt. Zugleich emittiert es Treibhausgase. Wenn Pro Natura Moore schützt und renaturiert, ist das also nicht nur klassischer Naturschutz. Es ist auch Klimaschutz. Ähnlich in der Agrarpolitik: Wenn wir für eine naturschonende Landwirtschaft kämpfen, dient das nicht nur den Insekten oder dem Bodenleben. Klug bewirtschaftete Böden binden dank Humusaufbau auch mehr Kohlenstoff.

Jugendliche skandieren landauf, landab den knackigen Slogan: «System change, not climate change!» Manche sehen diese Forderung als Beleg für jugendlichen Übermut, Naivität oder gar umstürzlerischen Ungeist. Ich sehe das anders. Ich finde diese Forderung hochvernünftig.

Machen wir uns nichts vor: Unsere auf ewiges Wirtschaftswachstum und ständig steigenden Konsum ausgerichtete Gesellschaft werden wir nicht mit Elektroautos, Biofood und smarten Kühlschränken auf einen klima- und naturfreundlichen Kurs bringen. Eine Abkehr vom Wachstumsdogma ist unumgänglich. System change eben. Es muss uns gelingen, den menschlichen Gestaltungswillen in klima- und naturverträgliche Bahnen zu lenken.

Weil das so ist, sollten wir auch eine zweite unbequeme Wahrheit zur Kenntnis nehmen: Es braucht in Zeiten ökologischer Krisen verbindliche Regeln, damit wir wichtige Umweltziele schnell erreichen. Als die Schweiz am Ende des 19. Jahrhunderts ihre dezimierten, zerzausten Wälder retten wollte, erliess sie drastische Regeln. Insbesondere stellte sie den Wald flächenmässig unter totalen Schutz. Glauben Sie, die Rettung unserer Wälder wäre mit Freiwilligkeit und Anreizen gelungen? Eben. Nicht anders ist es mit den heutigen Herausforderungen im Klima- und Naturschutz. Wenn wir keine Ölheizungen oder Kurzstreckenflüge mehr wollen, dann müssen wir ein Limit setzen. Oder im Naturschutz: Wenn wir besonders insektenschädliche Pestizide nicht mehr wollen, dann hilft nur ein Verbot. Die Klima- und Biodiversitätskrise ist vor unseren Haustüren angekommen. Wir müssen energisch handeln – jetzt! Ich bin sehr dankbar, dass unsere Kinder und Jugendlichen das laut und unmissverständlich aussprechen.


Urs Leugger-Eggimann, Pro Natura Zentralsekretär