Es ist doch interessant, wie die Idee des Fortschritts mit der Idee der Mobilität verwoben ist. So kann «Fort-Schritt» als eine Form von Bewegung verstanden werden. Zudem ist Mobilität, wie wir sie heute erleben, ein Teil und Resultat von Fortschritt. Viele der Fortbewegungsmittel, die wir selbstverständlich und gerne nutzen, waren selbst einst neu und wurden argwöhnisch beäugt: So, wie viele Menschen Anfang des 20. Jahrhunderts dem Wechsel vom Pferd zum Auto misstrauisch begegneten, so fällt vielen Menschen auch heute die Entwicklung von einem autozentrierten Verständnis von Mobilität hin zu einer neuen, vielseitigeren Mobilitätsära schwer. 

Dabei gibt es gute Gründe für einen Wandel: Unsere Umwelt ist es zugleich ein sehr relevanter als auch irrelevanter. Ersteres, weil unser heutiges Mobilitätsverhalten die Umwelt existenziell belastet. Letzteres, weil die Umwelt in der Regel eine untergeordnete Rolle bei der individuellen Verkehrsmittelwahl spielt. Viele Menschen wollen sich zwar umweltschonender fortbewegen, bei der letztlichen Wahl ihrer Verkehrsmittel spielen jedoch häufig andere Faktoren – wie Flexibilität und Bequemlichkeit sowie gelernte Routinen – eine entscheidende Rolle. Um die Akzeptanz nachhaltiger Mobilitätstechnologien zu fördern, müssen wir uns dementsprechend tief gehend mit den Bedürfnissen von Menschen auseinandersetzen sowie mit der Frage, was Menschen effektiv zu einer Veränderung ihres Verhaltens bewegt.

Wie kann eine Umstellung des persönlichen Mobilitätsverhaltens hin zu einer emissionsärmeren Mobilität im Alltag gelingen? 

Genau dieser Frage haben wir uns im vergangenen Jahr zusammen mit zahlreichen Kooperationspartnern im Rahmen des Future Mobility Labs in einer umfassenden Konsumentenstudie gewidmet (einen detaillierten Einblick in die Studienergebnisse finden Sie über den unten abgebildeten QR-Code). Drei Ergebnisse dieser Studie möchten wir an dieser Stelle hervorheben:  

1. Geteilte Mobilitätsformen (wie der öffentliche Verkehr, Car- und Micromobilitätssharing) weisen gegenüber dem eigenen Auto in vielen Situationen Vorteile für ihre Nutzer/-innen auf. Eine wichtige Voraussetzung für die stärkere Geltendmachung dieser Vorteile ist die Vernetzung der Mobilitätsangebote durch Multimodal-Apps – also Applikationen, welche die kombinierte Nutzung verschiedener Verkehrsträger vereinfachen. Attraktive Multimodal-Apps sollten möglichst breitflächige und komplementäre Angebote umfassen. In der Entwicklung der (daten)rechtlichen, technischen sowie betriebswirtschaftlichen Grundlagen solcher Applikationen sehen wir ein grosses Potenzial für die Schweiz, sich als Vorreiterin und Ideengeberin zu positionieren. 

2. Der Individualverkehr mittels Pkw wird auch in Zukunft für zahlreiche Anwendungsfelder eine wichtige Rolle spielen. Dabei werden E-Fahrzeuge bereits heute von vielen Personen im direkten Vergleich zu Verbrennern positiv bewertet. Für die erfolgreiche Elektrifizierung des Individualverkehrs ist jedoch der Ausbau von leicht bedienbarer Lade-
infrastruktur und nachhaltigen Energiequellen zentral. Auch hier sehen wir grosses Potenzial für die Schweiz, sich als Vorreiterin und Innovationsstandort zu positionieren.

3. Zu einem umfassenden Diskurs über nachhaltige Mobilität gehört auch die Frage, welche Rolle Mobilität grundsätzlich im Leben von Menschen spielt und welche Wege möglicherweise auch vermieden werden können – zum Beispiel, weil sie primär aus Gewohnheit zurückgelegt werden und dem eigentlichen Wohlergehen nicht wirklich dienen. Dies umfasst auch die Frage, welche Wege zukünftig durch virtuelle Technologien ersetzt werden können und wie sich die rasante Entwicklung solcher Technologien auf die benötigte Verkehrsinfrastruktur und Raum- und Siedlungsentwicklung auswirken wird. 

Ein neugieriger und zugleich besonnener Zugang zu Mobilität

Schliesslich braucht es vor allem aber Regionen, Unternehmen und Menschen, die bereit sind, neue Ideen von Mobilität (z. B. im Rahmen von Modellregionen) gemeinsam, schnell und pragmatisch zu testen, Erfahrungen zu sammeln, an der Entwicklung neuen Wissens mitzuwirken und somit zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz beizutragen. Ein solch neugieriger und zugleich besonnener Zugang zu Mobilität wird in den kommenden Jahren essenziell sein, damit der Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Mobilität gelingt. Wir freuen uns und sind gespannt auf diesen gemeinsamen Weg!

Autoren

Dr. Philipp Scharfenberger ist Vize-Direktor des Instituts für Mobilität an der Universität St. Gallen.
Jens Gessler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mobilität der Universität St. Gallen.

Illustrationsbild: istockphoto.com/erhui1979