Schneller, höher, weiter: Spätestens seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kennt die Menschheit nur eine Richtung – vorwärts! Im Streben nach Wohlstand und höherer Lebensqualität – und angetrieben durch «günstige» fossile Energie – haben wir aber einen grundlegenden Kreislauf aus dem Gleichgewicht gebracht. Wir haben in wenigen Jahrzehnten verbrannt, was die Natur in Millionen von Jahren entstehen liess – und bringen mit den daraus resultierenden CO2-Emissionen die Erde ins Schwitzen. Doch nicht nur puncto Energie greift unser bisheriges Denken zu kurz, auch beim Umgang mit allen anderen Rohstoffen. Unsere Ressourcennutzung ist auf Einmal-Verbrauch ausgelegt und unser Konsumverhalten ist linear. Kaufen – verbrauchen – wegwerfen. Da die natürlichen Ressourcen unseres Planeten aber endlich sind, geht diese Denkweise zwangsläufig nicht auf.

Gerade ein Wirtschaftszweig wie der Baubereich, der für rund 40 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich ist, tut gut daran, nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie die vorhandenen Materialien im Kreislauf gehalten werden können. Dazu braucht es vor allem eines: ein Umdenken. Weg vom Linearen, hin zum Zirkulären. Wir verbrauchen keine Materialien mehr, sondern nutzen sie für eine gewisse Zeit und stellen sie dann für eine weitere Verwendung zur Verfügung. Dass das auch beim Bauen funktioniert, zeigen Pilotprojekte – unter anderem im NEST, dem Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag. Und dass der Weg zum kreislaufgerechten Gebäude viel mit Handwerkskunst und weniger mit hochkomplexen Technologien zu tun hat, ebenfalls. Denn Voraussetzung für einen Kreislauf im Bausektor ist die sortenreine Trennbarkeit von Materialien – und diese erreicht man am besten mit fachgerechtem Handwerk.

Über kurz oder lang wird die Endlichkeit unserer Ressourcen die Kreislaufwirtschaft zur Notwendigkeit machen – und nicht zu einer möglichen Option unter vielen. Bereits heute lohnt es sich aber, nicht nur über geschlossene Kreise, sondern auch über deren Radien und Umfänge nachzudenken. Denn was gar nicht erst produziert oder gebaut wird, muss auch nicht in den Kreislauf zurückgeführt werden. Und gerade in unserer schnelllebigen Konsumgesellschaft vergessen wir häufig, dass auch unsere Aufmerksamkeit ein endliches Gut ist, und je feinteiliger wir unsere Aufmerksamkeit auf verschiedene Güter aufteilen, desto weniger erhält jedes einzelne davon. In diesem Sinne: Weniger ist mehr – und das Wenige gehört in den Kreislauf.

Autor

Dr. Peter Richner ist Stellvertretender Direktor, Departementsleiter «Ingenieurwissenschaften» Ko-Leiter Forschungsschwerpunkt ‹Nachhaltiges Bauen› und Verantwortlicher NEST bei der Empa.

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