Eine Pandemie hatte uns im ersten Halbjahr 2020 fest im Griff und sie wird auch die nahe Zukunft prägen. Die Gesundheitskrise ist global und zeigt eindrücklich unsere Abhängigkeit von globalen Produktionsketten, die Zerbrechlichkeit einer auf quantitativen und grenzenlosen Wachstum ausgerichteten Wirtschaft, die Systemimmanenz von bestimmten Berufen, die Bedeutung und Geschlechterverteilung der Care-Arbeit, globale ökonomische Unterschiede und damit die ungleichen Möglichkeiten, mit einer Extremsituation umzugehen.

Was hat die Coronakrise mit der Klimakrise gemeinsam? Beides sind reale und globale Bedrohungen, beide fordern rasches, kluges, gemeinsames Handeln, beide brauchen alle Akteur*innen. Und beide rütteln gehörig an unseren Vorstellungen, Werten, Lebensstilen. Beide laden uns ein, uns über das Wesentliche – das Wesen hinter den Dingen – Gedanken zu machen, und den Gedanken Taten folgen zu lassen.

Der Lockdown zeigte auf, dass es möglich ist, innerhalb kürzester Zeit einen neuen Alltag für die Menschen zu schaffen und dass mit politischem Willen einiges, was als undenkbar galt, Realität werden kann. Aber er zeigte eben auch, dass abrupte Veränderungen ohne Einbezug der Bevölkerung zwar den schlimmsten Schaden abwenden können, aber keine nachhaltig funktionierenden Lösungen darstellen. Nachdem der erste Schock verdaut war, wuchs die Ungeduld. Denn man hat der Menschheit über Wochen genommen, was für den Inbegriff der Freiheit steht: grenzenlose Mobilität, grenzenloser Konsum, grenzenlose Möglichkeiten. Und hierin liegt die grosse Herausforderung in der Bewältigung der Klimakrise und eine naheliegende Parallele zwischen Corona und dem Klima. Es muss uns gelingen, die Bedeutung von Freiheit, ja die Bedeutung der vorherrschenden, positiv konnotierten Begriffe und Werte einer liberalen Gesellschaft, neu zu denken und in der Neuinterpretation für alle positiv zu besetzen. Denn solange Freiheit heisst, zu tun und zu lassen, was einem gefällt – weil man es sich leisten kann – solange taugt Freiheit nicht als Wegweiser in die nachhaltige Zukunft. Gelingt uns aber eine Transformation der hinter den Begriffen liegenden Bedeutung, dann sind wir bereits auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Wenn also Freiheit im 21. Jahrhundert schon bald nicht mehr ein Freipass für grenzenlose Verschwendung, sondern beispielsweise ein «Frei-Werden» vom Konsumzwang bedeutet, dann haben wir zu den notwendigen gesellschaftlichen Grundlagen für den Wandel beigetragen.

In den Projekten und Dienstleistungen des Ökozentrums machen wir es uns zur Aufgabe, mit einer Kombination der drei Nachhaltigkeitsstrategien Suffizienz, Effizienz und Konsistenz und mit einer einzigartigen Verbindung von Technik und erlebnisorientierter Bildung zu einer ressourcenneutralen Zukunft beizutragen. Im «Verändern-Müssen» liegt auch ein «Verändern-Können», «Verändern-Dürfen» und «Verändern-Wollen». Packen wir es an, gehen wir mit gutem Beispiel voran!

Autorin:

Linda Jucker
Abteilungsleiterin Bildung & Gesellschaft Ökozentrum