Klimafreundlicher Tourismus in Post-Corona-Zeiten?

Still und leise statt mit pompösem Fest wurde am 4. Dezember 2020 in Grindelwald die Eröffnung der V-Bahn gefeiert. Die V-Bahn soll eine Beschleunigung des organisierten Massentourismus aus Asien bezwecken. Nun ist die Infrastruktur gebaut – aber die Gäste bleiben weg. So wird die V-Bahn zu einem Denkmal einer aus der Zeit gefallenen Tourismusstrategie.

Die Corona-Krise zeigt: Ein Umdenken im Tourismus ist dringend nötig. Destinationen, wie das Oberengadin, die ihre kostspielige Infrastruktur mit einer möglichst hohen Besucherfrequenz amortisieren müssen, leiden stark unter der Pandemie. Touristische Grossprojekte, die Natur und Landschaft zerstören, haben definitiv ausgedient. Ein weiteres klimaschädigendes Wachstum mit Blick auf die Fernmärkte ist nicht zukunftsfähig und zerstört letztlich die Grundlagen eines erfolgreichen, qualitativ hochstehenden Tourismus. Diese Erkenntnis hat sich aber in der Branche noch keineswegs durchgesetzt. Es stehen weiterhin umstrittene Grossprojekte an: Die Pendelbahn Weggis–Rigi Kaltbad soll durch eine Gondel-Umlaufbahn ersetzt werden, was einen massiven Kapazitätsausbau bedeutet.

Die grossen Besucherströme auf der Rigi sind aber bereits heute kaum bewältigbar. Und auch die Jungfraubahnen haben nach der Eröffnung der V-Bahn noch nicht genug. Sie planen einen weiteren Zubringer von der Wengeneralp zum Eigergletscher, der nochmals für eine Massierung der Touristenströme sorgen wird. Dabei gäbe es nun die Chance eines Neuanfangs: mit einer Abkehr vom Massentourismus hin zu einem regionalen Gästesegment, indem regionale Kreisläufe in klimafreundlicher Weise gestärkt werden. Lobenswertes Beispiel sind die Toggenburg Bergbahnen, die am Chäserrugg auf Baukultur setzen und die früheren hässlichen Bahnstationen zu architektonischen Juwelen umgebaut haben.

Nicht auf Massen will man dort setzen, nicht auf Eventkultur, sondern auf Naturerlebnis. Hierfür erhalten sie von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL) 2021 den Preis «Landschaft des Jahres». Auch die Neugestaltung der Anlagen der Weissen Arena am Flimserstein folgt dieser neuen Logik: Rückbau landschaftlich störender Anlagen, Verkleinerung der Gondelgrösse und innovatives Einzelantriebsystem («Rope Taxi») verbunden mit dem Ziel der CO2-Neutralität. Es geht doch!

Raimund Rodewald
Geschäftsleiter
Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL)

Illustrationsbild:
Ausbau der Eigergletscher-Station in Grindelwald – klimafreundlicher Tourismus sieht anders aus (Bild: Archiv SL-FP)