Das Thema Klima ist im Moment allgegenwärtig. Das hat auch seinen guten Grund: Wenn die Klimaziele 2050 auch nur annähernd erreicht werden sollen, muss jetzt gehandelt werden – und nicht erst in ein paar Jahren. International renommierte Ökonomen, Klimaexperten und die Klimajugend haben dies erkannt und machen sich entsprechend bemerkbar. Handlungsbedarf besteht insbesondere beim Verkehr: Dieser ist in der Schweiz für rund 40 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Trotzdem gehen die Emissionen nur geringfügig zurück – ganz im Gegensatz zum Gebäudebereich, wo das Reduktionsziel von -40 % bis 2020 gegenüber 1990 vermutlich erreicht wird. Es ist also höchste Eisenbahn, dass auch im Verkehr endlich wirksame Massnahmen und Rahmenbedingungen festgelegt werden.

An Handlungsmöglichkeiten fehlt es nicht. Die technologische Entwicklung im Bereich der Mobilität ist rasant und findet auf mehreren Ebenen statt. Bei den Antriebstechnologien ist der Kampf um die künftige Vorherrschaft voll entbrannt. Auch wenn im Strassenverkehr die Elektromobilität am meisten Zuspruch zu geniessen scheint, sind nach wie vor andere Technologien wie die Brennstoffzelle oder synthetische Treibstoffe im Rennen. Ob sich eine einzelne Antriebstechnologie durchsetzen wird oder ob sich je nach Anwendungsbereich verschiedene Antriebstechnologien etablieren, ist aus Klimasicht weniger relevant: Entscheidend ist, dass der Verkehr fossilfrei wird, d. h. keine fossilen Treibstoffe mehr verbrannt werden. Und zwar nicht nur beim Fahren, sondern auch bei der Herstellung. Das gilt insbesondere für Elektroautos, deren Batterien mit Energie aus Kohlekraftwerken produziert werden, wie dies in Polen oder China häufig der Fall ist.

Auch die Digitalisierung kann zu einem klimafreundlicheren Verkehr beitragen. Dank Assistenzsystemen, koordinierten Ampelsystemen und zunehmender Automatisierung kann die bestehende Infrastruktur effizienter für den privaten und öffentlichen Verkehr sowie für den Güterverkehr genutzt werden. Bei der Automatisierung des Strassenverkehrs müssen aber zwingend die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Die Digitalisierung muss den öffentlichen Verkehr ergänzen und nicht mit ihm konkurrieren. Wenn es einfacher wird, per App ein Auto vor die Haustüre zu bestellen, als die paar Hundert Meter zur nächsten Tramhaltestelle zu gehen, wird dies unweigerlich zu mehr Privatverkehr führen – zulasten des öffentlichen Verkehrs.

Die technologische Entwicklung allein wird unsere Verkehrsprobleme nicht lösen. Die Bevölkerung wächst und wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Der Ausbau der Infrastruktur führt erfahrungsgemäss nur zu Mehrverkehr. Es braucht andere Massnahmen, um die zu erwartende Verkehrsflut einzudämmen. Ein erster Schritt dazu ist eine korrekte Bepreisung der Mobilität. Dazu muss Kostenwahrheit geschaffen werden. Die externen Kosten, welche durch den Verkehr verursacht werden, sind bekannt und müssen von den Verursachern getragen werden. Mögliche Instrumente dazu sind die Einführung eines Mobility-Pricings oder einer CO2-Abgabe analog der Abgabe auf Brennstoffe – wie sie der VCS übrigens seit über 15 Jahren fordert.

Um den künftigen Herausforderungen im Verkehr wirksam begegnen zu können, werden wir nicht umhinkommen, unser eigenes Mobilitätsverhalten zu hinterfragen und anzupassen. Das heisst aber nicht, dass wir auf Lebensqualität verzichten müssen – im Gegenteil. Frei werdende Parkplätze können anderen Nutzungen wie Spielflächen, Cafés oder Sitzplätzen zugeführt werden. Für kurze Strecken das Velo zu nehmen oder zu Fuss zu gehen, ist zudem der Gesundheit zuträglicher, als das Auto zu nehmen. Und eine Reise nach Wien, Hamburg oder Kroatien mit dem Nachtzug ist nicht nur klimafreundlicher, sondern deutlich komfortabler und entspannter als mit dem Flugzeug.


Anders Gautschi, Geschäftsführer, VCS Verkehrs-Club der Schweiz