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Wer an einem Schweizer Bahnhof ankommt und die vierfach getrennten Vorzeigesammelstellen der SBB erblickt, erkennt sofort: Recycling ist uns in der Schweiz eine Herzensangelegenheit. Das zeigt sich auch in den Spitzenplätzen in internationalen Vergleichen und mit Sammelquoten von, je nach Material, zwischen 81 bis 96 %.* Die Schweizer Unternehmen sind zudem stark darin, effizient zu wirtschaften (Stichwort Ressourcenproduktivität), und schafften es sogar, den Ressourcenverbrauch pro Person bei steigender Wirtschaftsleistung zu senken. Das ist auch nötig, denn die Zahlen zur Abfallproduktion sehen weniger positiv aus: Mit 80 bis 90 Millionen Tonnen Abfall hat unser Land einen der höchsten Werte innerhalb der OECD. 

Mit Kreislaufwirtschaft öffnet sich nun eine neue Perspektive. Aus Abfällen werden Sekundärressourcen und aus der Einbahnstrasse des Konsums wird ein in sich geschlossener Kreislauf. Unternehmen werden effizienter und finden neue Geschäftsmodelle – beispielsweise über Miet- oder Leasingmodelle. Zudem reduzieren sie ihre Abhängigkeit von Lieferketten. Wie sieht der Weg zur funktionierenden Kreislaufwirtschaft aus? Aus der Sicht der Wirtschaft sind drei Faktoren wichtig: 

Ganzheitliche Betrachtung

Kreislaufwirtschaftsprinzipien sind nur dann sinnvoll, wenn sie sowohl zu einer ökologischen als auch ökonomischen Verbesserung führen. Dies muss im Einzelfall unter Beachtung des ganzen Zyklus geprüft werden.  

Technologieneutralität

Die gesetzlichen Grundlagen der Entsorgung und des Recyclings sollen technologieneutral formuliert werden. Auf diese Weise kann sowohl dem technologischen Fortschritt als auch dem sich ändernden Verhalten der Konsumenten Rechnung getragen werden. 

Rahmenbedingungen und Subsidiarität

Kreislaufwirtschaft ist komplex und staatliches Eingreifen führt oft zu ungewollten Effekten. Gleichzeitig besteht heute eine Vielzahl von vielversprechenden Initiativen aus der Wirtschaft (Sammlung 2025, Circular Economy Switzerland, Drehscheibe Kreislaufwirtschaft und viele andere). Der Staat sollte sich darauf konzentrieren, Hürden für Wirtschaftsakteure abzubauen, anstatt selbst vermehrt tätig zu werden.

Die Schweiz ist mit ihrer Ressourcenintensität bei gleichzeitig hoher Innovationskraft, Technologiereife und Umweltfreundlichkeit in einer einzigartigen Situation, eine Vorreiterin der Kreislaufwirtschaft zu werden. Sie kann zeigen, wie aus einem Abfallproblem eine Kreislaufwirtschaftschance und ein Standortvorteil werden. 

Autor:

Alexander Keberle
ist Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter Infrastruktur, Energie & Umwelt bei economiesuisse.