Er wohnte bis anhin friedlich an einem Berghang bei Thun, und nun das: Greta Thunberg, das Mädchen aus Schweden, ist unterwegs, um die Welt aufzurütteln.

Schulen aus Burgdorf, Biel, Bern und Thun lassen sich mitreissen und demonstrieren in Freitags-Umzügen die Bereitschaft, nicht länger zusehen zu wollen. Nämlich dass nichts passiert – in der Klimapolitik. Zu wenig jedenfalls, und wenn doch, dann zu spät.

Kolumnisten und Leitartikler beginnen, sich ernsthaft des Themas anzunehmen. Das TA-Magazin widmet ein ganzes Heft «75 Ideen, wie Sie den Klimawandel stoppen können» und in den folgenden Ausgaben klärt Autor Matthias Plüss skeptische Fragesteller auf mit Antworten, die allesamt die Dringlichkeit unterstreichen, dass sowohl auf individuelle Massnahmen wie auf effiziente Politik gesetzt werden muss.

Und erstaunlich – auch in der Politik bewegt sich etwas.

Sichtbar sind erst mal die Erfolge der Oeko-Parteien bei kantonalen Wahlen, die auf ein neues Bewusstsein, was unsere Zukunftsaussichten anbelangt, schliessen lassen.

In Parlamenten tauchen Forderungen auf wie: Die CO2-Neutralität sei bis 2030 umzusetzen, eine Kommission für Klimaschutz solle subito eingesetzt werden, der Klima-Notstand sei auszurufen, eine Klima-Force hätte aktiv einzugreifen etc.

Die FDP befragt die Partei-Basis um ihre Meinung (wohl, um ihr beschädigtes Image als Bremser bei griffigen Schutzmassnahmen aufzupolieren) und fördert bemerkenswerte Vorschläge zutage. Flugticket-Zuschläge und Lenkungsabgaben bei Diesel, Benzin und Heizöl sind plötzlich nicht mehr tabu; sogar Fahrverbote in Stadtzentren sind eine Option, E- und Hybrid-Autos sowie Haus-Sanierungen sollen gefördert, Pendlerabzüge bei Steuern abgeschafft werden; ein Positionspapier soll die Vorschläge bündeln.

Hugentobler staunt, wenn er die Kommentare zur grüner gewordenen Parteipräsidentin liest, und er fragt sich, was bei diesem Zickzackkurs im Nationalrat und bis zu den eidgenössischen Wahlen im Herbst noch erreicht werden kann.

Orlando, Karikaturist beim «Bund», zeichnet Franz Weber auf einer Leiter himmelwärts durch die Wolken steigend und Engel, die dem lieben Gott zuflüstern: «Jetzt wird’s ungemütlich! Der wird nicht ruhn, bis wir für die Natur auf der Erde etwas tun.»

Ja – was!? Und wo bleibt der nächste Franz Weber, fragt sich Hugentobler, einer, der ganze Regionen vor Überbauung und Zerstörung bewahrt? Ist es Hansjörg Wyss, der einen Teil seines Vermögens für Umweltanliegen einsetzt, grossflächige Landstriche aufkauft und zu Naturreservaten erklärt? Oder Jeff Bezos mit seinen Weltraumzylindern, mit denen er Erdlinge vom irdischen Dasein in heile Sphären retten will? Denn Gott, sofern er denn Himmel und Erde samt Mensch erschaffen hat, wird Mittel und Wege finden, seiner missratenen Kreation baldmöglichst eine unwirtliche Heimat zu schaffen, und sei es mit dessen eigenem allzu grossem Fussabdruck COzwei.

Hugentobler würde, falls er mit Milliarden gesegnet wäre, anders vorgehen. 1. das Meer entmüllen, 2. entsalztes Wasser in Wüstengebiete pumpen und 3. dort Wälder aufforsten, damit die Balance mit den abgeholzten Tropenwäldern wiederhergestellt wäre und die natürliche CO2-Verwertung ins Gleichgewicht käme. Ein übermenschliches Mammut-Flickwerk zwar, das sich jedoch mit den Milliarden der jährlich weltweiten Rüstungsausgaben realisieren liesse und mehr Mehrwert ergäbe als jede Gaspipeline oder Seidenstrasse.

Hugentobler tendiert zu kleineren Brötchen. Er wird einige der 72 Tipps von Matthias Plüss umsetzen, mehr ÖV und Velo fahren, saisonal und regional einkaufen, Trockenwiese statt Rasen, weniger Plastik, weniger Strom, weniger Fleisch, weniger Kaffee, weniger …

Er wird die Pestizidabbau- und Gletscher-Initiative unterstützen (obwohl ihm Kollege F., Biologie-Professor, sagte, die Schweiz sei schon früher mal eisfrei gewesen und gut begehbar für die Hochgebirgsjäger). Er wird sich nicht beirren lassen von den Argumenten der Wirtschaft und auch nicht von den noch stupideren der SVP, die sich wacker und trutzig gegen den Klima-Hipe stemmt.

Vermutlich wird er mit seinen Schrittchen 0,0 Promille Veränderung bewirken, verglichen mit den Dreckschleudern China und USA. Aber er wird wählen gehen. Rot. Rot ist ein intensiveres Grün. Er lässt sich nicht mehr irritieren. Die Wucht der Strasse und ein Flügelschlag eines Schmetterlings auf irgendeiner Seite des Globus werden die Welt verändern.


Hugo Ramseyer, Mitgründer des Zytglogge Verlags