Nachhaltige Ernährung ist regional und saisonal, so die weit verbreitete Meinung. Doch was heisst «regional» für ein kleines Land im Zentrum Europas? Und was heisst «saisonal» in unseren Breitengraden, wo die Anbauperiode keine 12 Monate dauert?

Die Schweizer Landwirtschaft ist auf die Milch- und Fleischproduktion spezialisiert. So heisst regional oft Milch und Fleisch, die zudem immer Saison haben. Doch Tiere brauchen Futter: In der Schweiz wächst auf mehr als 80 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche und auf 60 % des Ackerlandes Tierfutter. Trotzdem reicht das nicht, es braucht zusätzlich Futtermittel aus anderen Ländern: 2018 wurden 1,4 Millionen Tonnen importiert. Das meiste davon, z.B. Weizen und Soja, wäre für die menschliche Ernährung geeignet.

Ein anderer verbreiteter Tipp lautet: Wenn Fleisch, dann Poulet. Tatsächlich: keine andere Fleischsorte wird so billig und ressourceneffizient produziert. Darum wächst die industrielle Geflügelproduktion weltweit. In der Schweiz wurde sie in den letzten 20 Jahren verdoppelt – und ein Ende ist nicht absehbar. 2018 wurden hierzulande 72 584 106 Mast-
küken geschlachtet.

Davon profitiert nicht etwa die Landwirtschaft. In der Schweiz haben (nur) 1 % der Betriebe in die industrielle Pouletmast investiert. Sondern es profitieren die vor- und nachgelagerten marktmächtigen Unternehmen, allen voran die intransparenten Zuchtfirmen. Praktisch 100 % der «Schweizer» Mastpoulets stammen von Zuchtlinien der EW Group GmbH, einem global tätigen Unternehmen. Die schweizerische Poulet-Produktion ist zu 100% von Importen abhängig: Ohne laufenden Nachschub von Tieren und Futtermitteln kein «Schweizer» Poulet. Die vermeintlich hocheffiziente Geflügelmast ist zudem ein Haupttreiber des globalen Sojaanbaus.

Es ist ganz einfach: Wer nachhaltig essen will, isst wenig Fleisch und zwar wenig von allen Sorten; und dies besonders auswärts. In der Schweiz wird die Hälfte des Fleischs ausser Haus gegessen, nicht zuletzt, weil es dort vergleichsweise am wenigsten kostet.

Wenn die Nachfrage nach Vegi-Gerichten steigt, setzt dies einen Anreiz, die Qualität und Vielfalt von Vegi-Gerichten zu verbessern, was nötig ist. Nachhaltig essen hat nämlich nichts mit Verzicht zu tun hat, im Gegenteil, aber das verlangt Know How.

Zusammengefasst: Deutlich weniger tierische Nahrungsmittel, d.h. weniger Fleisch, weniger Milchprodukte (auch da hat’s Soja drin), weniger Eier, weniger Fisch. Dafür bewusst und mit Genuss! Auswärts kein Fleisch, sondern Vegi bestellen. Wer sich flexitarisch ernährt, hat die Chance die unglaubliche Vielfalt pflanzlicher Nahrungsmittel und Zubereitungen kennenzulernen.

Davon profitieren die Umwelt, die Tiere, die Menschen in den Schlachtbetrieben und die eigene Gesundheit – und eine zukunftsorientierte Landwirtschaft, die vermehrt eine Vielfalt von pflanzlichen Nahrungsmitteln anbaut. Für diese Produkte aus der Nähe gibt es auch eine Nachfrage, denn die meisten Menschen bevorzugen die Landwirtschaft im eigenen Land.

Weiteres zum Thema: www.novanimal.ch


Zur Autorin:

Priska Baur
ZHAW Life Sciences und Facility Management, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen Grüental