Egal, ob Covid, Krieg oder die Bekämpfung der weltweiten Armut – die Welt steht vor grossen Herausforderungen. Die grösste Schwierigkeit dabei: Probleme lassen sich längst nicht mehr chronologisch lösen. Die Krisenherde unserer Zeit sind verzahnt. Und einige von ihnen bedrohen gar unsere Existenz. 

Der Weltklimarat hat in seinem Bericht im Februar dieses Jahres bestätigt: Der Klimawandel ist die grösste Herausforderung, vor der die Menschheit je gestanden hat. Fast die Hälfte der bald acht Milliarden Menschen auf der Welt lebt in Hochrisikogebieten. Überall auf der Welt werden natürliche Kreisläufe durcheinandergebracht. Steigende Temperaturen zerstören die Lebensgrundlagen und führen zu Konflikten um Wasser und Nahrungsmittel. Menschen werden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Ganze Regionen verlieren ihre Stabilität.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir für all diese Probleme eine pfannenfertige Lösung finden werden. Was wir brauchen, ist ein «work in progress»-Ansatz: die ständige Bereitschaft, Ideen aus verschiedenen Bereichen zusammenzuführen und sie im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse und in Erwartung chaostheoretischer Verknüpfungen weiterzuentwickeln. Für solche Lösungen werden Wissenschaftlerinnen, Diplomatinnen, Finanz- und Energieexpertinnen, NGOs und viele weitere Akteure benötigt. 

Wir brauchen politische Entscheidungsträger ebenso wie die Wissenschaft, die Wirtschaft und den privaten Sektor. Unsere ständige Bereitschaft, Ideen einem kollektiven Stresstest zu unterziehen, uns auch mit den Menschen auszutauschen, mit denen wir auf den ersten Blick nicht allzu viel gemein haben – dieser kontinuierliche Wissensaustausch ist der Motor unseres Fortschrittes. Nutzen wir ihn!

Ignazio Cassis
Bundespräsident