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Ich schreibe diese Zeilen aus dem Nachtzug von Wien nach Zürich. Während zweier Tage haben sich Ende Juni in Wien die Verkehrsclubs aus Deutschland, Österreich und der Schweiz getroffen. Es war heiss in Wien, sehr heiss, wie in zahlreichen Städten Europas. Hier zeigen sich die negativen Auswirkungen des Klimawandels sehr ausgeprägt. In den Städten sind die Böden weitgehend versiegelt. Grün- oder Wasserflächen, welche das Licht und die Wärme absorbieren, sind rar. Entsprechend heizen sich die Städte im Sommer auf. Der Asphalt und die Gebäudemauern speichern die Wärme, sodass sich die Luft in den Nächten kaum abkühlt. Die geringe Luftzirkulation verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werden sich diese Auswirkungen weiter intensivieren, mit nachteiligen Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung.

Der Verkehr und die damit verbundene Infrastruktur bieten grosses Potenzial, den für die Klimaerhitzung verantwortlichen CO2-Ausstoss zu reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels zu bremsen. Die Zeit dazu drängt. Bis verkehrspolitische Massnahmen umgesetzt werden, dauert es erfahrungsgemäss Jahre bis Jahrzehnte, deshalb müssen die Entscheide möglichst bald getroffen werden. 

Verkehrsflächen beanspruchen viel Raum. Das wirkt sich besonders in den Städten und Agglomerationen aus, wo der Raum beschränkt, die Anzahl Nutzende hoch und der Boden teuer ist. Ein Auto beansprucht im Vergleich der Verkehrsmittel am meisten Fläche, im Durchschnitt wird damit nur etwas mehr als eine Person transportiert. Da sind Fuss- und Veloverkehr oder der öffentliche Verkehr wesentlich flächeneffizienter. Es ist deshalb mehr als fraglich, ob die Verwendung der meisten Flächen für den Autoverkehr noch zukunftstauglich ist. 

Mit Verkehrsdrehscheiben kann beispielsweise der motorisierte Individualverkehr ausserhalb der Zentren gebündelt und auf effiziente Verkehrsmittel wie den öffentlichen Verkehr, Fuss- oder Veloverkehr verlagert werden kann. Ein Teil der Strassenflächen könnte damit zugunsten des Fuss- und Veloverkehrs verwendet oder in dringend benötigte Grünflächen umgewandelt werden. Die Mariahilfer-Strasse in Wien zeigt eindrücklich, wie dies möglich ist – mit positiven Auswirkungen auf die Bevölkerung und auch auf das lokale Gewerbe. Auch in anderen Städten Europas wie Paris oder Barcelona werden Massnahmen ergriffen, um den Verkehr klimatauglich und damit zukunftsfähig zu gestalten.

Die Pandemie hat gezeigt, dass Geschäftsreisen zumindest teilweise durch Videokonferenzen ersetzt werden können und Home-Office die Möglichkeit bietet, weniger Pendlerverkehr zu verursachen. Das sind zwei Ansätze, wie mit wenig Aufwand der Verkehr deutlich reduziert werden kann. In ländlichen Gebieten, wo es weniger Alternativen gibt als in den Städten und Agglomerationen und dem Auto weiterhin eine Rolle zur Sicherung der Mobilität zukommt, besteht mit dem Umstieg auf die Elektromobilität die Möglichkeit, die CO2-Emissionen zu reduzieren. 

Mit technologischer Entwicklung alleine werden wir die Klimaziele aber nicht erreichen, entscheidend ist auch das Verkehrsverhalten. Weniger Verkehr ist möglich: mit teilweisem Home-Office, mit vermehrt Ferien im Heimatland, mit etwas Bescheidenheit bei den Ansprüchen. Klimafreundliches Reisen, zum Beispiel mit dem Nachtzug anstelle des Flugzeugs, ist möglich. Und bietet, wie es der Nachtzug nach Wien gezeigt hat, erst noch mehr Reisekomfort.

Autor:

Anders Gautschi
Geschäftsführer, VCS Verkehrs-Club der Schweiz